„Überflüssige Menschen“: Hilfe für kranke Obdachlose, St. Petersburg

„Überflüssige Menschen“: Hilfe für kranke Obdachlose, St. Petersburg

Kassum M. wurde 1972 in Tschetschenien geboren. Seinen Vater lernte er nie kennen. 1980 zog seine Mutter mit ihm nach Georgien, wo Kassum durch zunehmend aggressives Verhalten auffiel. In der 8. Klasse lief er weg. An der Schwarzmeerküste wurde er bei Straftaten aufgegriffen und landete im Jugendgefängnis. 1989 kehrte er nach Georgien zurück und bekam einen sowjetischen Pass, meldete sich aber nicht amtlich an. Bald zog er wieder durch den Süden der UdSSR und verlor irgendwo seinen neuen Pass. Am 4.2.1992, als sich für alle Sowjetbürger die neue Staatsangehörigkeit entschied, bekam er ohne Sowjetpapiere weder einen russischen noch einen georgischen Pass. In St. Petersburg landete er erneut hinter Gittern. Ohne Papiere musste er seine Strafe in Murmansk nördlich des Polarkreises absitzen. Dort machte er mehrere Ausbildungen, und der Sozialdienst des Gefängnisses tat alles, um seine Staatsangehörigkeit zu klären. Aber Georgien antwortete nicht auf amtliche Anfragen. Kassum wurde ohne Pass entlassen. Aber es gelang ihm, 15 Jahre lang im Petersburger Stadion in der Verwaltung zu arbeiten, bis er 2020 sehr schnell erblindete. Er landete auf der Straße und in der Auffangstelle „Pokrovskaja obshina“ für kranke Obdachlose. Hier wird man ihn begleiten auf dem Weg zu einer Staatsbürgerschaft, ohne die er nicht in ein spezialisiertes Heim für Blinde aufgenommen werden kann. Wir möchten die Auffangstelle „Pokrovskaja obshina“ für ein weiteres Jahr fördern und Kassum einen Rehakurs ermöglichen, damit er lernen kann, sich ohne Hilfe zu orientieren.

Bericht aus dem Auffangheim für kranke Obdachlose St. Petersburg

Für Kassum M., einen blinden ehemaligen Straffälligen und Obdachlosen konnten wir dank Ihrer Hilfe einen individuellen Rehakurs bezahlen. Kassum ist Tschetschene, wuchs aber in Georgien auf und saß in Russland im Gefängnis. Er besuchte den Kurs „Navigation per Smartphone für Blinde“. Dafür kauften wir ihm ein spezielles Smartphone, zu dem sein Kursleiter, ebenfalls ein Blinder, geraten hatte. Ab April 2022 besuchte Kassum fünfmal die Woche den Rehakurs, erwies sich als sehr begabt und machte bald große Fortschritte. Zukünftig wird er sich selbstständig in der Stadt bewegen können. Er wohnt noch bei uns im Auffangheim. Der Prozess, für ihn Personalpapiere ausstellen zu lassen, dauert leider sehr lange, weil erst seine Staatsangehörigkeit geklärt werden muss.

Bei anderen Betreuten konnten wir inzwischen die Identität amtlich bestätigen lassen und ihnen Unterkünfte organisieren:

Nina S. bekam ihren ersten Personalausweis im Leben! Wir halfen ihr auch, eine Rente zu bekommen, und sie konnte ins „Haus Nachtunterkunft“ umziehen. Weiter helfen wir ihr, einen dauerhaften Platz in einer stationären Einrichtung zu bekommen, damit sie nie mehr auf der Straße leben muss.

Vladimir I. konnte mit unserer Hilfe einen Antrag auf Feststellung seiner Identität an den Apparat des Ombudsmanns für Menschenrechte St. Petersburg stellen. Dabei gab es große Schwierigkeiten, weil man ihn früher für tot erklärt hatte. Die Anerkennung, dass Vladimir noch lebt, musste vor Gericht erstritten werden. Zuletzt wurden ihm als Bürger Russlands Personalpapiere ausgestellt.

Aljona S. konnten wir zunächst in eine psychiatrische Klinik aufnehmen lassen. Es gelang uns, ihre zwei Töchter ausfindig zu machen. Der Vater hatte sie aus einem östlichen Land zurück nach Russland geschickt. Heute lebt Aljona zusammen mit ihrer jüngeren Tochter und besucht tagsüber die Reha-Abteilung ihrer Psychiatrie. Wir helfen ihr, einen Behindertenausweis zu bekommen, und unsere Sozialarbeiterin begleitet die kleine Familie.

Anton hat in seiner Kindheit eine Reihe traumatischer Erfahrungen gemacht, aus denen ein tiefer Mangel an Selbstwertgefühl entsprang. Von Geburt an wurde er abgelehnt, weil er aus einem Seitensprung der Mutter stammte. Im Gruppengespräch kommt er immer wieder auf das Thema Familie zurück. Heimat und Liebe lehren uns, uns selbst als wertvoll zu erleben. Das lernte Anton in der Kindheit nie kennen, besonders im verhassten Waisenhaus.

In den Kunsttherapie-Sitzungen gab es hitzige Diskussionen über das Thema „Menschen und ihre Laster“. Gemeinsam mit einem Psychologen versuchten wir, herauszuarbeiten und zu verstehen, wie Laster die Lebenssituationen von Menschen beeinflussen können, so dass sie auf der Straße landen. Darüber entstand die Idee zu Zeichnungen von Tieren, die metaphorisch für verschiedene Sünden des Menschen stehen. Diese Überlegungen führten uns zum sozialen Plakat als Mittel zu künstlerischen Aufrufen. Daraus entwickelte sich die Idee zu einer Ausstellung von sozialen Plakaten, die mit prophylaktischem Effekt einer Obdachlosigkeit vorbeugen sollen.