Ausbildung von Musiktherapeuten für traumatisierte Kinder

Ausbildung von Musiktherapeuten für traumatisierte Kinder

„Warum ich Musiktherapeutin wurde? Vor langer Zeit hörte ich meine Tante Pascha singen und spürte dabei eine ungewöhnliche Erschütterung in meinem ganzen Sein. Später besuchte ich eine Musikschule, das Institut, begann mit Kindern zu arbeiten. In meiner ganzen pädagogischen Tätigkeit habe ich intuitiv immer Wege zur lebendigen Musik gesucht. Ich bin meinem Schicksal zutiefst dankbar, dass ich zur Musiktherapie-Ausbildung fand, die mir das Wesen des Menschen und der Musik und einen endlosen Erkenntnisweg eröffnete. Heute sind vor allem Kinder mit Behinderungen und ihre leidvollen Eltern meine Patienten, Freunde und Lehrer. Ein besonderes Erlebnis hatte ich, als ein Kind mit schwerster Diagnose nach meinem Leierspiel zum allerersten Mal im Leben lächelte. Plötzlich konnte die Mutter an ihr Kind und seinen künftigen Erfolg glauben. Das öffnete die Tür zu einem langwierigen, aber erfolgreichen Rehabilitationsweg. Logopäden, Sonderpädagogen, Psychologen müssen lernen, wie man seiner Stimme und Instrumenten heilende Töne entlocken kann, durch die Musik zur Arznei wird, zur heilbringenden Kraft!“
Olga M., Kostroma

Weltweit wächst das Interesse an nicht-medikamentösen Heilungsmethoden. Dabei erfahren wir immer mehr über den immensen Einfluss von Tönen, Klängen und Musik auf die menschliche physische, psychische und soziale Gesundheit. Klinische Untersuchungen haben die heilsame Wirkung von musiktherapeutischen Methoden auf verschiedenen Ebenen des menschlichen Organismus belegt. Musiktherapeuten arbeiten heute in Kliniken, Psychiatrien, Sanatorien, Seniorenheimen, Hospizen, in der Heilpädagogik und in Gefängnissen. Warum ruft diese Methode ein so großes Interesse hervor? Musik richtet sich unmittelbar an die Seele des Menschen und bewirkt dort eine lebendige Reaktion. Ihre universelle Sprache wird von jedem Menschen verstanden, wirkt als verbindendes Element, auch zwischen den Menschen verschiedener Völker, und vereint sie auf einer höheren, geistigen Ebene. Diese soziale Qualität der Musik ist sehr wichtig im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie, die Trennendes in Volks- und Arbeitsgemeinschaften und sogar in Familien brachte. Töne, einfache Melodien, verschiedene Rhythmen, Harmonien, das ganze musikalische Instrumentarium werden zur Arznei, zu einem „Musikament“, das als Quelle der Stärkung innerer Kräfte Gleichgewicht und Identität bewirkt.

Die Pandemie stellt auch die Musiktherapie vor neue Herausforderungen. Gefragt sind Methoden, die die Immunität allgemein, aber auch das Herz-Kreislauf- und das Lungensystem stärken und die emotionale Sphäre harmonisieren. Es gibt keine Altersbegrenzungen bei der Anwendung von Musiktherapie. Nebenwirkungen sind extrem selten. Der Beruf des Musiktherapeuten ist dort angesiedelt, wo die Kunst der Musik, Heil- und Traumapädagogik, Medizin und Psychologie sich begegnen. Musiktherapeuten benötigen eine fundamentierte professionelle Ausbildung, um die hocheffektiven Methoden in der Arbeit mit Erwachsenen und Kindern verantwortungsvoll und mit positiven Resultaten anwenden zu können.

Um in die Covid-Zersplitterung der Gesellschaften ein verbindendes Element hineinzustellen und in Vorbereitung der künftigen traumapädagogischen Tätigkeit des Centr Perspektiva, die ohne Musik nicht denkbar ist, hat im Centr eine mehrjährige Ausbildung in Musiktherapie begonnen.

Wie ich Musiktherapeutin werde

Selbst wenn man die Ohren verschließt, gelangen Vibrationen von Tönen über den Körper ins Innere des Menschen und wirken dort. Das ist meine wichtigste Entdeckung nach einem halben Jahr Musiktherapie-Ausbildung. Bis vor Kurzem konnte ich von einer so feinen, tiefgreifenden und ganzheitlichen Wahrnehmung von Musik und davon, Musik zur Heilung von Menschen einzusetzen, nur träumen. Das eigene technische Können ist bei der Erzeugung von heilenden warmen Tönen unerheblich, und ein Heilungsprozess kann
schon von wenigen Tönen angeregt werden.

Mehrere Jahre lang hatte ich in mir Fragen bewegt wie: Welchen Einfluss hat Musik auf den Menschen? Kann man mit Musik heilen? Hängt die Reinheit von Musik von der Reinheit dessen ab, der sie komponierte? Kann man mit Hilfe von Musik einen bewussten Impuls in die Welt senden? Kann Musik den Rhythmus der Herz- und Atemtätigkeit beeinflussen? Und es zeigte sich, dass die Menschen seit Urzeiten um die Bedeutung dessen, welchen Einfluss Töne auf unsere Körper haben, wissen.

Die Kunst der Musiktherapie zu erlernen, ist unglaublich schwierig, weil wir den größten Teil der Information nicht über den Intellekt, sondern über phänomenologische Untersuchungen, also über Erfahrungen aufnehmen müssen. Das bedeutet, dass man einen Ton, ein Intervall oder eine Melodie mit dem ganzen Körper wahrnimmt und dann sein Befinden festhält: Herzschlag, Atmung, Zusammenziehen-Lösen, Wärme-Kälte, Bewegungs- oder Entspannungs-Impuls. Man hält alle seine Eindrücke fest, auch den Nachklang des Gehörten. Dabei erschütterte mich am meisten, dass wir fast alle ähnliche Eindrücke und Effekte von dem Gehörten hatten.

Besonders erinnere ich mich daran, wie wir Intervalle untersuchten, Quinte, Terz und Quarte. Jedes Intervall vermittelte seine ganz eigene Information. Ich war überwältigt von dem, wie einfach und elementar alles ist: Man muss nur die Ohren öffnen, sich auf sein Empfinden konzentrieren und seinen Körper hören. Trotzdem muss man dieses „Einfache“ manchmal jahrelang üben …

In der modernen Medizin dreht sich leider alles um Krankheiten, fast niemand begreift, was eigentlich Gesundheit ist. Bei unserer Methode gefällt mir, dass es darum geht, den Menschen zurück in einen Zustand der Harmonie zu bringen, wenn alle Systeme eines Organismus zusammenarbeiten wie ein gutes Orchester. Wir lernen, auf Leiern, Flöten und der Chrotta zu spielen, und Singen nach Verbek, bewegen uns in Reigentänzen und vertiefen uns in Volkslieder. Auch wenn das Studium sehr intensiv ist, verspüre ich einen gewaltigen Zustrom von Kräften, Lebensenergie und, wie ich nach jedem Modul ein anderer Mensch bin.

Es beflügelt mich, dass es in der Welt medizinische Zentren gibt, in denen Ärzte, Musiktherapeuten und Kunsttherapeuten zusammenarbeiten und Leib, Seele und Geist in Einklang bringen. Diesen Einklang brauchen die Menschen in der heute gegebenen Realität so dringend!
Alina Gajnashina (Moskau)
Studentin im Musiktherapie-Seminar des Centr Perspektiva