Grußwort von Anne Hofinga

Liebe Freunde in Deutschland und Westeuropa!

Seit Beginn der neuen Zeitrechnung zwischen der Ukraine, Russland und Europa fühlt es sich so an, als sei man fremd in seinem eigenen Leben, besonders in seinem Arbeitsleben. Im Kopf wirbeln Gedanken durcheinander und lassen sich nicht zu verständlichen Sätzen bändigen. Streckenweise ist man wie gelähmt. Die täglichen Bilder von sinnloser Zerstörung lassen vor dem inneren Auge die toten Augen der traumatisierten Kinder aus dem Donbass aufsteigen, mit denen ich 2015 noch gemeinsam mit ukrainischen, weißrussischen und russischen Kunsttherapeuten und Heilpädagogen arbeiten konnte. Ich habe sie nie vergessen können.

Bald 40jährige Erfahrung mit Russland erlaubt es einem, heute trotzdem weiter zu arbeiten. Bisher konnten wir die durch die Sanktionen sehr erschwerten Wege für unsere Hilfeleistungen meistern. Im Centr Perspektiva in Moskau gibt es bislang keine Anzeichen für etwaige Schwierigkeiten seitens der russischen Behörden. Man kann zwar nicht langfristig planen, aber im sozialen Bereich gehört es ohnehin dazu, dem Leben und seinen Entwicklungen immer neu abzulauschen, worauf man reagieren und wofür man gerade neue Lösungen finden muss. Manchmal scheint es, als ob das ganze Leben einen speziell auf die jetzige Situation vorbereitet hätte.

Als ich zuletzt in die Ukraine flog, war Sommer. Das Flugzeug kreiste über einer zauberhaften, atmenden Landschaft aus sanften Hügeln mit goldenen Feldern, saftigen Weiden, sattgrünen Windbrüchen und kleinen Wäldchen, durchzogen von gewundenen silbernen Bachläufen. Das Bild war so unwirklich schön, dass ich mich bei dem vielleicht sentimentalen, aber auch sehr realen Gedanken erwischte: Was für ein von Gott geküsstes Land. Dieses Bild steigt vor meinem inneren Auge auf, wenn ich abends um 20:30 Uhr (deutscher Zeit) an der „Gebetswache“ teilnehme, die gleich im Februar von einer kleinen Gemeinde in Odessa gegründet wurde und der sich sofort eine Gemeinde in Moskau und viele Menschen weltweit anschlossen: Wir rufen uns ein Bild der blühenden Erde mit glücklichen Menschen unter einer strahlenden Sonne vor die Seele, überwölbt von einem undurchdringlichen himmelsblauen Friedensschild, der nur für Liebe, Güte und Licht durchlässig ist. Zwischen Credo und Vaterunser flicht jeder Teilnehmer individuelle Sprüche, Gebete oder Meditationen ein. Das Ganze nicht etwa online, sondern für sich im stillen Kämmerlein oder innerhalb der Familie. Wir vertrauen darauf, dass aus dieser inzwischen weltumspannenden Gebetswache Schutz für die Menschen in der ganzen Ukraine und eines Tages neue Brücken zwischen den Menschen in der Ukraine, Russland und ganz Europa erwachsen.

Mein halbes Leben baue ich jetzt an solchen Brücken zwischen West und Ost und konnte das nur dank Ihrer langjährigen treuen Unterstützung tun. Ich bitte Sie sehr herzlich darum, gerade in der jetzigen Situation unsere Tätigkeit auch weiter mit Ihren Spenden möglich zu machen. Auf andere Hilfe können wir derzeit nicht bauen. Von Herzen Dank!

Ihre Anne Hofinga

written by Johanna Großer